Wenn es um die Wirkung von medizinischem Cannabis gegen Schmerzen geht, muss zunächst zwischen akuten und chronischen Schmerzen differenziert werden. Dabei liegt der Unterschied in der Dauer und der Funktion:
- Akute Schmerzen treten plötzlich auf und sind ein Warnsignal des Körpers. In der Regel haben sie eine klare Ursache. Wenn wir uns zum Beispiel in den Finger schneiden, spüren wir einen akuten Schmerz. Dieser verschwindet von selbst, wenn wir die Wunde behandelt haben und der Heilungsprozess abgeschlossen ist.
- Chronische Schmerzen bestehen über einen längeren Zeitraum, meist über drei bis sechs Monate hinaus, und haben meist keine klare Funktion mehr. Sie können bestehen bleiben, auch wenn die ursprüngliche Verletzung oder Erkrankung geheilt ist. Dabei entstehen chronische Schmerzen häufig durch komplexe Veränderungen im Nervensystem, die dazu führen, dass der Schmerz dauerhaft wahrgenommen wird, selbst wenn keine offensichtliche Gefahr mehr besteht.
In erster Linie wird Cannabis als Medizin bei chronischen Schmerzen verordnet, insbesondere bei neuropathischen und entzündungsbedingten Schmerzen. Hingegen scheint Cannabis bei akuten Schmerzen weit weniger effektiv zu sein.
Zusammenhang zwischen dem Endocannabinoid-System und Schmerzen
Das Endocannabinoid-System (ECS), bestehend aus den Cannabinoid-Rezeptoren 1 (CB1) und 2 (CB2), Endocannabinoiden und verschiedenen Enzymen, ist ein Teil des Nervensystems und an der Regulation vieler Prozesse im Körper beteiligt. Auch bei der Schmerzwahrnehmung spielt das ECS eine wichtige Rolle, indem es die Aktivität von Nervenzellen reguliert und damit die Weiterleitung von Schmerzsignalen hemmen kann. Dementsprechend bietet das ECS ein therapeutisches Ziel für die Behandlung von chronischen Schmerzen durch Medizinal-Cannabis, da die Cannabinoide wie Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD) an die Cannabinoid-Rezeptoren binden. [1]
Wirkmechanismus von THC
THC bindet vorwiegend an die CB1-Rezeptoren, die vermehrt im zentralen Nervensystem (Gehirn und Rückenmark) vorkommen, und kann somit die Freisetzung von Botenstoffen modulieren, die Schmerzsignale übermitteln. Infolge dessen kann sich die Schmerzwahrnehmung verändern.
Herkömmliche Schmerzmittel zielen hingegen auf spezifische Mechanismen im Körper ab. Beispielsweise reduziert Paracetamol die Produktion von Prostaglandinen im Gehirn, also Substanzen, die Schmerzen und Fieber vermitteln, durch die Hemmung des Enzyms COX (Cyclooxygenase). Aufgrund dieser unterschiedlichen Mechanismen kann medizinisches Cannabis vor allem dann bei chronischen Schmerzen nützlich sein, wenn Schmerzmittel keine oder nur eine unzureichende Wirkung entfalten.
Ausführliche Informationen zu Tetrahydrocannabinol (THC) bietet dieser Artikel.
Wirkmechanismus von CBD
CBD interagiert hauptsächlich mit den CB2-Rezeptoren, die sich auf den Immunzellen sowie in peripheren Geweben nachweisen lassen. Dadurch ist das Cannabinoid in der Lage, Entzündungsprozesse zu hemmen, weshalb es vor allem bei chronischen entzündlichen Schmerzerkrankungen einen therapeutischen Nutzen haben kann.
Ausführliche Informationen gibt es in unserem Artikel „Was ist Cannabidiol (CBD)?“.
Medizinisches Cannabis bei Fibromyalgie
Fibromyalgie (FMS) gehört zu den chronischen primären Schmerzsyndromen und geht mit Muskel- und Gelenkschmerzen sowie einer erhöhten Druckempfindlichkeit einher. Neben chronischen Schmerzen leiden Betroffene auch unter Symptomen wie Müdigkeit, Schlafstörungen, Konzentrationsproblemen (oft als „Fibro-Fog“ bezeichnet) und einer Vielzahl weiterer Beschwerden. Dabei ist die genaue Ursache unbekannt, jedoch wird vermutet, dass Störungen in der Schmerzverarbeitung im zentralen Nervensystem eine zentrale Rolle spielen.
Die Behandlung der Schmerzerkrankung erfolgt durch eine Kombination aus medikamentöser Therapie, Bewegung, Stressmanagement und psychosozialer Unterstützung, um die Lebensqualität zu verbessern.
Aktuell zeigt die Studienlage zur Wirkung von medizinischem Cannabis bei Fibromyalgie gemischte Ergebnisse. Insgesamt weisen verschiedene Studienergebnisse auf ein gewisses Potenzial hin, jedoch ist weitere Forschung notwendig, um die Langzeitwirkungen und optimale Anwendung klarer zu definieren. Trotz der dürftigen Studienlage machen viele Patienten gute Erfahrungen mit Medizinalcannabis als Zusatztherapie und berichten von einer Schmerzlinderung sowie einer verbesserten Lebensqualität.
Informationen zu Medizinal-Cannabis bei Fibromyalgie gibt es in diesem Artikel.
Medizinisches Cannabis rheumatoider Arthritis
Die rheumatoide Arthritis (RA) ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung, die vor allem die Gelenke betrifft, aber auch andere Organe und Gewebe schädigen kann. Es wird angenommen, dass sie durch eine Fehlfunktion des Immunsystems entsteht, sodass der Körper fälschlicherweise eigenes Gewebe angreift, was zu anhaltenden Entzündungen führt. Typische Symptome sind Gelenkschmerzen, Schwellungen und Steifigkeit, oft symmetrisch an beiden Körperseiten. Zusätzlich können Erschöpfung, Fieber und allgemeines Unwohlsein auftreten. Unbehandelt kann die rheumatoide Arthritis zu bleibenden Gelenkschäden, Deformierungen und Funktionsverlust führen.
Im Rahmen der Therapie werden entzündungshemmende Medikamente gegeben. Zudem umfasst die Behandlung Krankengymnastik und in schweren Fällen chirurgische Eingriffe, um die Lebensqualität zu verbessern und das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen.
Die bisher wenigen durchgeführten Studien, in denen die Wirksamkeit von Cannabis als Medizin bei rheumatoider Arthritis untersucht wurde, zeigen zwar zum Teil vielversprechende Ergebnisse, es fehlen jedoch groß angelegte klinische Studien. Grundsätzlich kann jedoch Medizinalcannabis bei chronischen Schmerzen zum Einsatz kommen.
Medizinisches Cannabis beim chronischen HWS-Syndrom
Das Halswirbelsäulen-Syndrom (HWS-Syndrom) steht für verschiedene Beschwerden, die durch Probleme im Bereich der Halswirbelsäule verursacht werden. Betroffene leiden unter Schmerzen, die in Kopf und/oder Schultern und Arme ausstrahlen sowie unter weiteren Begleitsymptomen, wie zum Beispiel Schwindel, Kopfschmerzen oder Ohrgeräusche.
Die Ursachen sind vielfältig und reichen von Muskelverspannungen und Fehlhaltungen bis hin zu degenerativen Veränderungen wie Bandscheibenvorfällen oder Arthrose. Behandelt wird das HWS-Syndrom in der Regel mit Schmerzmedikamenten sowie nicht-medikamentösen Therapie (z. B. Physiotherapie).
Es gibt nur wenige Studien, in denen untersucht wurde, ob medizinisches Cannabis bei chronischen Rückenschmerzen nützlich sein kann. Zwar kann Medizinalcannabis chronische Schmerzen lindern, ob dies beim HWS-Syndrom tatsächlich der Fall ist, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden.
Medizinisches Cannabis beim chronischen LWS-Syndrom
Betroffene, die unter dem Lendenwirbelsäulen-Syndrom (LWS-Syndrom) leiden, beklagen Schmerzen im unteren Rücken, die auch in das Gesäß, Beine und Füße ausstrahlen können. Ähnlich wie beim HWS-Syndrom können die Ursachen vielfältig sein, meist sind die Ursachen jedoch Verspannungen und Blockaden, die durch eine Fehlbelastung oder Fehlhaltung verursacht werden. Aber auch Bandscheibenvorfälle und degenerative Veränderungen können ursächlich sein. Auch hier umfasst die Behandlung in der Regel eine medikamentöse Schmerztherapie und Physiotherapie.
Bezüglich einer Therapie mit medizinischem Cannabis gilt hier das Gleiche wie beim HWS-Syndrom. Zwar kann Medizinalcannabis bei chronischen Schmerzen zum Einsatz kommen, ob dies beim LWS-Syndrom erfolgversprechend ist, lässt sich nicht sagen.
Detaillierte Informationen zum LWS-Syndrom und Cannabis als Medizin gibt es hier.
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Quellen
[1] Burston JJ, Woodhams SG. Endocannabinoid system and pain: an introduction. Proc Nutr Soc. 2014 Feb;73(1):106-17. doi: 10.1017/S0029665113003650. Epub 2013 Oct 22. PMID: 24148358, Download vom 04.12.2024 von https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/24148358/