Bei Autoimmunerkrankungen liegt eine Fehlreaktion des körpereigenen Immunsystems vor, da es gesunde Zellen angreift, die fälschlicherweise für fremde Eindringlinge gehalten werden. Warum es zu dieser Fehlfunktion kommt, ist weitestgehend unklar. Es wird angenommen, dass die Ursache ein komplexes Zusammenspiel aus unterschiedlichen Faktoren ist:

Genetische Veranlagung: Menschen mit bestimmten genetischen Merkmalen haben ein höheres Risiko, an einer Autoimmunerkrankung zu erkranken. Häufig sind diese innerhalb von Familien zu beobachten, was jedoch nicht bedeutet, dass jeder in der Familie betroffen sein muss, aber das Risiko ist erhöht. Außerdem können bestimmte Gene beeinflussen, wie das Immunsystem funktioniert und auf potenzielle Bedrohungen reagiert. Wenn diese Gene verändert oder „fehlerhaft“ sind, kann das Immunsystem möglicherweise normale, gesunde Zellen nicht mehr richtig erkennen und greift sie an.

Äußere Einflüsse können ebenfalls dazu beitragen, dass das Immunsystem aus dem Gleichgewicht gerät. Hierzu zählen vor allem Infektionen mit bestimmten Viren oder Bakterien, die das Immunsystem „triggern“ und es beginnt, eigene Zellen anzugreifen. Zudem kann die Exposition gegenüber bestimmten Chemikalien, Giften oder Umweltverschmutzung das Risiko für Autoimmunerkrankungen erhöhen.

Darüber hinaus treten Autoimmunerkrankungen häufiger bei Frauen auf als bei Männern auf. Dies lässt vermuten, dass Hormone eine Rolle spielen könnten, insbesondere das weibliche Sexualhormon Östrogen. Dabei sind Frauen insbesondere in bestimmten Lebensphasen, wie während der Pubertät, Schwangerschaft oder in den Wechseljahren, anfälliger für Autoimmunerkrankungen, da diese Phasen von starken hormonellen Veränderungen geprägt sind.

Störungen des Immunsystems

Bei Autoimmunerkrankungen wird das Immunsystem fehlgeleitet, sodass es nicht mehr zwischen den eigenen Zellen und fremden Eindringlingen (wie Viren und Bakterien) unterscheiden kann. Dies könnte durch verschiedene Mechanismen verursacht werden:

  • Fehlfunktion von Immunzellen: Bestimmte Immunzellen (z. B. T-Zellen) haben normalerweise die Aufgabe, den Körper zu schützen und zwischen körpereigenen Zellen und Fremdstoffen zu unterscheiden. Bei einer Fehlfunktion könnten diese Zellen körpereigenes Gewebe als Bedrohung wahrnehmen und angreifen.
  • Fehlregulation von Entzündungen: Entzündungen sind eine normale Reaktion des Immunsystems auf Verletzungen oder Infektionen. Bei Autoimmunerkrankungen wird dieser Entzündungsprozess chronisch oder tritt ohne Grund auf, was zu anhaltenden Schäden am eigenen Gewebe führen kann.

Veränderungen in der Darmflora (Mikrobiom)

Die Bakterien und Mikroorganismen, die im Darm leben, spielen eine wichtige Rolle bei der Regulation des Immunsystems. Ein Ungleichgewicht in der Darmflora, verursacht durch falsche Ernährung, Antibiotika oder andere Faktoren, könnte die Entwicklung von Autoimmunerkrankungen fördern. Dabei hilft ein gesunder Darm dem Immunsystem, zwischen guten und schädlichen Eindringlingen zu unterscheiden. Wenn dieses Gleichgewicht gestört ist, kann das Immunsystem fehlgeleitet werden.

Autoimmunerkrankungen und das Endocannabinoid-System

Das Endocannabinoid-System (ECS) wurde entdeckt, als versucht wurde, die Wirkweise von Cannabinoiden wie Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD) zu verstehen. Heute ist bekannt, dass das ECS aus den Cannabinoidrezeptoren 1 (CB1) und 2 (CB2), den Endocannabinoiden sowie den Enzymen besteht, die Encocannabinoide herstellen und abbauen.

Bei den Endocannabinoiden handelt es sich um Cannabinoide, die der Körper selbst bilden kann. Allerdings baut der Körper diese wesentlich schneller ab als die Cannabinoide aus der Cannabispflanze. Zu den wichtigsten Endocannabinoiden gehören Arachidonylethanolamid (Anandamid) und 2-Arachidonoylglycerin (2-AG).

Das ECS wirkt auf das Immunsystem durch die CB2-Rezeptoren, die hauptsächlich auf Immunzellen wie T-Zellen, B-Zellen und Makrophagen vorkommen. Diese Zellen spielen eine zentrale Rolle bei der Immunantwort. Wenn Endocannabinoide oder Cannabinoide an die CB2-Rezeptoren binden, kann dies die Aktivität des Immunsystems beeinflussen: [1]

  • Entzündungshemmung: Die Aktivierung von CB2-Rezeptoren kann entzündungshemmende Effekte verursachen. Bei Autoimmunerkrankungen, bei denen Entzündungen übermäßig und chronisch auftreten, könnte die Modulation des ECS helfen, die Entzündungsreaktion zu beruhigen und so die Symptome zu lindern.
  • Reduktion von Immunreaktionen: Das ECS kann die Überreaktion des Immunsystems dämpfen, die bei Autoimmunerkrankungen häufig auftritt. Dies geschieht, indem es die Freisetzung von entzündungsfördernden Substanzen wie Zytokinen verringert.

Beeinflussung der Immunzellen-Aktivität

Das ECS kann die Aktivität und Funktion von Immunzellen regulieren, was besonders bei Autoimmunerkrankungen von Bedeutung ist. T-Zellen, die eine Schlüsselrolle bei Autoimmunreaktionen spielen, können durch das ECS moduliert werden. Endocannabinoide dämpfen die Aktivierung der T-Zellen, was eine übermäßige Immunreaktion verhindert. Zudem werden weitere Immunzellen vom ECS beeinflusst wie die Makrophagen. Durch die Regulierung dieser Zellen könnte das ECS verhindern, dass das Immunsystem gesundes Gewebe angreift.

Cannabis bei Diabetes mellitus

Diabetes mellitus ist eine chronische Stoffwechselerkrankung, bei der der Körper den Blutzuckerspiegel nicht richtig reguliert. Dies geschieht entweder, weil der Körper kein oder zu wenig Insulin produziert (Typ-1-Diabetes) oder weil die Zellen unempfindlich gegenüber Insulin werden (Typ-2-Diabetes). Insulin ist ein Hormon, das für die Aufnahme von Zucker (Glukose) aus dem Blut in die Zellen verantwortlich ist. Ein dauerhaft erhöhter Blutzuckerspiegel kann zu ernsthaften gesundheitlichen Komplikationen wie Herzerkrankungen, Nervenschäden und Nierenschäden führen. Diabetes ist weltweit eine der häufigsten chronischen Erkrankungen und stellt eine große Herausforderung für die Gesundheitssysteme dar.

Der Typ-2-Diabetes ist keine Autoimmunerkrankung, sondern eine Stoffwechselstörung, bei der der Körper entweder nicht genug Insulin produziert oder die Zellen auf Insulin nicht mehr richtig reagieren (sogenannte Insulinresistenz). Es ist meist eng mit Lebensstilfaktoren wie Übergewicht, Bewegungsmangel und ungesunder Ernährung verbunden.

Hingegen zählt der Typ-1-Diabetes zu den Autoimmunerkrankungen, da hier das Immunsystem fälschlicherweise die insulinproduzierenden Beta-Zellen in der Bauchspeicheldrüse angreift und zerstört. Da der Körper ohne Insulin den Blutzucker nicht richtig regulieren kann, führt dieser Zellverlust zu einem dauerhaft erhöhten Blutzuckerspiegel. Dabei entwickelt sich der Typ-1-Diabetes häufig schon in der Kindheit oder Jugend, kann aber auch später im Leben auftreten.

Bislang gibt es wenige Studien, in denen die Auswirkungen von Cannabis auf eine Diabetes-Erkrankung untersucht wurden. Es finden sich lediglich marginale Hinweise, dass CBD möglicherweise bei einer Diabetes-Typ-1-Erkrankung nützlich sein könnte, nicht aber beim Typ-1-Diabetes. Beim Typ-1-Diabetes scheint hingegen das Cannabinoid Tetrahydrocannabivarin (THCV) therapeutisches Potenzial zu besitzen.

Hier gibt es Informationen zum Thema Cannabis und Diabetes mellitus.

Cannabis bei Multiple Sklerose

Multiple Sklerose (MS) ist eine chronische, entzündliche Autoimmunerkrankung des zentralen Nervensystems, die das Gehirn und das Rückenmark betrifft. Das Immunsystem greift hier fälschlicherweise die schützende Myelinschicht der Nervenzellen an, was die Signalübertragung zwischen dem Gehirn und dem Körper stört. Dies kann zu einer Vielzahl von Symptomen führen wie Muskelkrämpfen, Schwäche, Sehstörungen, Koordinationsproblemen und Müdigkeit. Dabei verläuft die Krankheit oft in Schüben, kann aber auch fortschreitend sein. Obwohl die genaue Ursache von MS noch unbekannt ist, spielen genetische und Umweltfaktoren eine Rolle. MS ist nicht heilbar, aber verschiedene Therapien können helfen, die Symptome zu lindern und den Krankheitsverlauf zu verlangsamen.

Medizinisches Cannabis als Behandlungsoption für Menschen mit Multipler Sklerose (MS) ist recht gut erforscht. Dabei werden Cannabinoide vor allem zur Linderung von Muskelspastik, chronischen Schmerzen und Schlafstörungen eingesetzt.

Weitere Informationen zum Einsatz von Cannabis bei Multiple Sklerose gibt es hier.

Fazit zum Einsatz von Cannabis bei Autoimmunerkrankungen

Das Endocannabinoid-System (ECS) spielt eine zentrale Rolle in der Regulierung des Immunsystems und der Entzündungsreaktion, was es zu einem wichtigen Faktor bei Autoimmunerkrankungen macht. Durch die Beeinflussung von Immunzellen und die Modulation von Entzündungen kann das ECS dazu beitragen, überschießende Immunreaktionen zu dämpfen und Autoimmunerkrankungen zu lindern.

Bislang haben Cannabinoide wie CBD und THC in der Forschung jedoch nur wenige Ergebnisse gezeigt, weshalb weitere Studien notwendig sind, um die genauen Mechanismen und das therapeutische Potenzial voll zu verstehen.

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Quellen

[1] Sido JM, Nagarkatti PS, Nagarkatti M. Role of Endocannabinoid Activation of Peripheral CB1 Receptors in the Regulation of Autoimmune Disease. Int Rev Immunol. 2015;34(5):403-14. doi: 10.3109/08830185.2014.921165. Epub 2014 Jun 9. PMID: 24911431; PMCID: PMC4261058, Download vom 12.10.2024 von https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/24911431/