Es gibt in der Cannabis-Branche einen tollen Begriff, den man immer wieder hört, wenn es um die eher wissenschaftlichen Aspekte rund um Cannabis geht: „Bro-Science“.

Gemeint ist damit das Wissen, was man sich im Laufe der Kiffer-Karriere, meist in Zusammenarbeit mit einigen anderen Konsumente, selbst erarbeitet hat… Oder Aussagen, die schlichtweg so oft nachgeplappert wurden, dass sie irgendwann als Fakt angesehen werden. Dazu gehören Aussagen wie „Pflanzen müssen gespült werden, sonst schmeckt man die Salze“, „Indica macht müde, Sativa aktiv“ bis hin zu „Pflanzen nehmen nur rotes und blaues Licht auf“. Fakt: Alle diese Aussagen wurden entweder bereits mit handfesten Studien widerlegt oder haben einfach keinerlei Quelle, wie beispielsweise die Aussage, dass HHC Schwermetalle enthalte oder Pflanzen aus „Living Soil“ besser schmecken würde.

„Misch CBD rein, dann knallt es weniger!“

Cannabidiol, kurz CBD, steht seit Jahren quasi ganz vorne, wenn es um die legale Anwendung von Cannabis geht: Kaum einem anderen Inhaltsstoff werden so viele tolle Dinge nachgesagt: Es beruhigt, es entspannt, es hilft beim Einschlafen, die Katze vom Nachbar hat damit ihren Krebs besiegt und selbst die Noten von klein Bobby sind auch schon viel besser, seit er seine Schulhefte regelmäßig mit 1%igem CBD-Öl einreibt!

Wer die Cannabis-Branche, besonders abseits des medizinischen Marktes kennt, kennt auch die dubiosen Behauptungen, die um CBD ranken und von Produzenten, Shopbesitzern, Influencern und selbsternannten Cannabis-Consultants gebetsmühlenartig runtergepredigt werden: CBD sei quasi der Gegenspieler zu THC, für manche ganz überzeugte sogar DER Bestandteil, der Cannabis erst medizinisch wertvoll mache! Erst das CBD sorge, in Zusammenarbeit mit dem THC, für eine ausgewogene, angenehme Wirkung, die man mit THC alleine gar nicht erreichen könne. So könne man die Nebenwirkungen von THC, beispielsweise den psychoaktiven Effekt, mindern. Der THC-Joint wirkt zu stark? Misch CBD rein, dann knallt es weniger!

Eine Frau sitzt mit ihrem Hund im Eingang ihres Zeltes und isst eine packung CBD Gummibärchen
Abb 1 CBD beim Wanden, beim Campen, als Hundeleckerlis… CBD-Produkte gehen häufig als „Lifestyle“-Produkte über den Tresen.

An dieser Stelle fällt dann auch oft das Wort „Entourage-Effekt“: Das Zusammenspiel der Cannabinoide bewirke mehr als die Summe seiner Teile! Klingt ein bisschen esoterisch angehaucht und, wen wundert es, der Entourage-Effekt konnte bisher auch noch in keiner Studie belegt werden, auch wenn es einige Versuche gab… Der Begriff wird heute von Fachleuten, genau wie „Premium“, als Marketingbegriff eingeordnet.

Wir verzichten an dieser Stelle absichtlich darauf, irgendwelche Shops oder CBD-Seiten als Quellen für dubiose Aussagen zu nennen. Einfach mal bei Google „CBD Katze Krebs“ oder andere lustige Keywords eingeben und ihr werdet euch wundern, wie viele Texte man findet, die sich zwar auf Studien berufen, diese aber nicht verlinken…

CBD – Was sagen die Studien denn wirklich?

90% der Studien, die sich mit CBD befassen, enden mit folgender Aussage: „Weitere Studien sind erforderlich.“ Heißt im Klartext: So ganz sicher ist man sich leider nicht, aber es gibt möglicherweise Hinweise. Dazu kommen geringe Teilnehmerzahlen: Teilweise haben Studien eine extrem geringe Teilnehmer und sind daher einfach nicht aussagekräftig oder auf die, höhö, breite Masse anwendbar! Und auch wenn einige positive Effekte von CBD ganz klar belegt werden konnten, beispielsweise bei Epilepsie, warten die meisten der oben erwähnten Behauptungen noch auf eine wissenschaftliche Erklärung…

Doch konzentrieren wir uns doch mal auf die große Frage, die sich auch jeder THC-Konsument schon ein mal gestellt hat: Beeinflusst CBD die Wirkung von THC? In anderen Worten: Verändert sich etwas an der Wirkung, wenn ich in meinen normalen Joint ein paar CBD-Blüten reinbrösel?

Eine blonde Frau sitzt auf einem weiß bezogenen Bett und hält eine Flasche CBD-Öl
Abb 2 „Oh nein, ich und mein naturbelassenes, mit überkritischem Co2 extrahiertes 1%-Vollspektrum-CBD-Öl sind so alleine in diesem großen Bett…“ – Das Marketing um CBD-Produkte ist oft fragwürdig!

Ein Glück, dass eine Studie aus dem Jahr 2022 genau dieser Frage nachgegangen ist! Unter dem Titel Does cannabidiol make Cannabis safer?“ (Deutsch: „Macht Cannabidiol Cannabis sicherer?„) wurde anhand von knapp 50 Personen (leider auch eine sehr geringe Teilnehmerzahl…) untersucht, inwieweit sich das THC/CBD-Verhältnis auf den Effekt des THCs auswirkt. Hierfür wurden den Probanden insgesamt vier verschiedene THC/CBD-Verhältnisse verabreicht (10mg THC-0mg CBD, 10mg THC-10mg CBD, 10mg THC-20mg CBD und 10mg THC-30mg CBD) per Volcano verabreicht und dann untersucht, wie gut eine Anzahl von Aufgaben erledigt wurde, beispielsweise Lernaufgaben oder einen Einkauf im Krankenhauskiosk.

Kurz zu der Aufgabe im Krankenhauskiosk, die ich persönlich genial finde: Jeder kennts! Wenn man in der Öffentlichkeit stoned ist, starren einen, zumindest gefühlt, alle an, man wird leichter nervös, übersieht Kleinigkeiten… Und genau diese Situation wird hier nachgestellt! So soll untersucht werden, ob CBD einen Einfluss auf die von THC induzierte Paranoia hat. Davor wurde bereits nachgewiesen, dass eben dieser „Einkauf im Kiosk“ die Paranoia nach dem Konsum von Cannabis verstärkt. Faszinierend!

Leider weniger faszinierend: Die Ergebnisse

Die Ergebnisse zeigten, dass THC, unabhängig von der CBD-Dosis, die verbale Erinnerung beeinträchtigte und positive psychotische Symptome wie Euphorie induzierte. Diese Effekte wurden durch keine CBD-Dosis signifikant verändert, weder zum positiven noch zum negativen.

Darüber hinaus gab es keine Hinweise darauf, dass CBD die Wirkung von THC auf andere kognitive, psychotische, subjektive, lustvolle oder physiologische Parameter moduliert.

Die Studie ergab außerdem, dass CBD bei den CBD:THC-Verhältnissen, die in medizinischen und Freizeit-Cannabisprodukten am häufigsten vorkommen, nicht vor den akuten Nebenwirkungen von Cannabis schützt. Mit anderen Worten: Myth busted! Hier muss aber angemerkt werden: In der Studie wurde immer die selbe Menge THC konsumiert (10mg) und nur die CBD-Dosis verändert, von 0mg bis 30mg.

„10mg THC, das is´ doch nix!“ – Alles eine Sache der Toleranz! Insgesamt haben sogar 12 Personen die Studie aufgrund „unerwünschter Erfahrungen“ mit der Wirkung von Cannabis abgebrochen… Zum Vergleich: 10mg THC stecken ca. in 0,1g Blüten mit 10% THC.

Aber warum behaupten dann alle Kiffer, ein Joint wirke anders, wenn CBD mit drin ist? Nun, in der Realität sieht es eben etwas anders aus: Bei einem Joint wird, wenn man CBD- und THC-Blüten mischt, meistens ein Teil der THC-Blüten durch CBD-Blüten ersetzt. Man raucht also im Endeffekt einfach weniger THC. Und, oh Wunder, merkt dann auch weniger von dem psychoaktiven Effekt und den sonstigen Nebenwirkungen.

Für die Forscher bleibt eine Frage für die Zukunft offen: Kann Cannabis mit noch höheren CBD:THC-Verhältnissen vor den negativen Auswirkungen schützen? Und wie immer endet die Studie mit den altbekannten Worten: „Weitere Studien sind erforderlich…“