• Autoflower-Pflanzen blühen unabhängig vom Lichtzyklus und bieten Vorteile wie schnellere Ernten und weniger Platzbedarf.
  • Allerdings liefern sie weniger Ertrag und sind empfindlicher gegenüber Umwelteinflüssen. Im Indoor-Anbau sind sie eher unpraktisch und bieten keine nennenswerten Vorteile im Vergleich zu photoperiodischen Genetiken.
  • Im Freien hingegen können sie mehrere Ernten im Jahr ermöglichen und erfordern wenig Aufmerksamkeit und Dünger.

Für die meisten Personen ist der Anbau von Cannabis etwas neues, aufregendes! Die ersten eigenen Pflanzen, wuhu, ein Traum geht in Erfüllung! Für andere ist der Anbau von Cannabis hingegen schon seit Jahren ein Hobby, mit welchem sich der eigene Konsum gut finanzieren lässt. Wieder andere decken ihren kompletten Lebensunterhalt mit illegalen Plantagen ab und lassen sich eher in die Kategorie „organisierte Kriminalität“ einordnen.

Besonders die erste Kategorie hat noch viel zu lernen, bevor die ersten rauchbaren Blüten auf dem Longpaper liegen! Grow-Kanäle auf Youtube haben vermutlich bald Hochkonjunktur, Growshops stapeln jetzt schon die 80x80cm Zelte bis unter die Decke und selbst Baumärkte bereiten sich schon auf den großen Run vor und erschaffen die ersten Growabteilungen.

Damit ihr euch nicht nur auf die Angaben der Hersteller verlassen müsst und auch ein paar unabhängige Informationen bekommt, veröffentlichen wir ab jetzt immer mal wieder Texte über den Anbau von Cannabis im kleinen Rahmen. Heute beschäftigen wir uns mit einem Thema, welches spätestens bei der Wahl der ersten Samen auftaucht:

Was ist Cannabis Ruderalis?

Cannabis Ruderalis, auch als Autoflower, Selbstblühend oder Fast-Versions bezeichnet, gibt es heute eigentlich bei jedem Samen-Anbieter! Die Pflanzenart stammt vermutlich aus Russland und kommt auch mit sehr harschem Klima und kalten, kurzen Sommern zurecht. Der Clou: Im Gegensatz zu „normalem“ Cannabis, Cannabis Sativa und Cannabis Indica, welches erst durch eine Änderung der Beleuchtungszeit von 18h auf 12h täglich mit der Blütephase beginnt, blüht Cannabis Ruderalis nach einer bestimmten Zeit einfach von selbst, unabhängig vom Lichtzyklus. Also auch bei 18h Licht! So kann die Pflanze in der Natur auch mitten im Sommer blühen und die wenigen Lichtstunden dann ausnutzen, wenn sie für die Fortpflanzung am wichtigsten sind: In der Blütephase!

Ein lila beleuchtetes Growzelt mit ca. 12 cannabispflanzen in Töpfen
Abb 1 Autoflower-Genetiken bleiben meistens relativ klein, bieten aber meist ein gutes Blüten-Blatt-Verhältnis.

Laut den Herstellern bietet das für Grower eigentlich nur Vorteile: Es geht schneller, man braucht weniger Platz und kann Outdoor sogar mehrere, versetzte Ernten im Jahr einfahren, da man nicht mehr vom Herbst abhängig ist. Einziger Nachteil: Reine Ruderalispflanzen haben kaum THC und liefern einen eher mickrigen Ertrag. Daher werden diese seit Jahren mit altbekannten, potenten Genetiken gekreuzt, um die Vorteile von beiden zu kombinieren. Das Ergebnis sind unzählige Genetiken mit ähnlichen Namen wie „Super Skunk Automatic“ oder „Gelato-Auto“, die tatsächlich ansehnlich Ergebnisse liefern können!

Autoflower: Zwar schneller, aber…

Eines der Hauptargumente für den Anbau von Ruderalis-Kreuzungen ist die gesparte Zeit: Hersteller werben beispielsweise mit „9 Wochen von der Keimung bis zur Ernte“. Das ist schnell! Aber ist das schneller als normale Genetiken? Nehmen wir als Beispiel Gelato Auto: Alleine die normale Blütezeit einer Gelato-Genetik wird meist mit 8 Wochen angegeben, dazu kommen noch ein paar Wochen Wachstumsphase. Die Autoflower-Version wird hingegen mit den oben erwähnten 9-10 Wochen, vom Samen bis zur Ernte, beworben. Jedenfalls unter absolut optimalen Bedingungen! Das behalten wir mal im Hinterkopf…

Bei genauerer Betrachtung ist die Zeitersparnis jedoch nicht so groß, wie sie scheinen mag: Autoflower-Pflanzen beginnen oft schon nach wenigen Wochen mit der Blüte. Durch die verkürzte Wachstumsphase sind sie deutlich kleiner und liefern weniger Ertrag als ihre photoperiodischen, der Fachbegriff für “von den Lichtstunden abhängigen”, Gegenstücke. Dies kann für alle, die auf maximalen Ertrag abzielen, ein entscheidender Nachteil sein! Der Witz ist nämlich: Die Blütephase von Autoflower-Pflanzen ist oft nämlich nicht viel kürzer als beim “Original”, die kurze Dauer geht daher zu Lasten der Wachstumsphase !

Eine Growzelt mit iner weißen Balken-LED am oberen Rand und vielen Cannabispflanzen am unteren Rand.
Abb 2 Autoflower-Genetiken reagieren selbst auf das Umtopfen negativ! Daher sollte man sie von Anfang an im selben Topf behalten.

Für Anfänger, die den Anbau erlernen und dabei möglicherweise Fehler machen, kann diese Geschwindigkeit sogar ein Nachteil sein, da sie weniger Zeit zum Korrigieren von Fehlern haben. Wenn man bei einer normalen Genetik in der Vegi einen Fehler macht, verschiebt man den Zeitplan eben um zwei, drei Wochen nach hinten, damit die Pflanze sich vor der Blütephase wieder voll erholen kann. Eine Autoflower beginnt einfach mit der Blüte, egal ob der Zeitpunkt gerade gut ist oder nicht!

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Aber auch Profis haben so ihre Bedenken: Im Gegensatz zu normalen Genetiken reagieren Ruderalis-Kreuzungen auch eher schlecht auf das Entfernen von Trieben und Blättern, am besten lässt man sie komplett in Ruhe wachsen. Da man den genauen Zeitpunkt der Blüteeinleitung nicht steuern kann, fallen auch Methoden wie ScrOG oder SOG raus. Ein SOG, ein sogenannter Sea of Green, die Bezeichnung für den Anbau von möglichst vielen Pflanzen auf einer Fläche, ist zwar möglich, man hat aber immer das Risiko, dass die Pflanzen später als geplant in die Blüte wechseln und der Platz knapp wird. Oder zu früh, dann hätte man auch noch eine Reihe dazustellen können… Wie man es dreht und wendet: Indoor sind Genetiken mit Autoflower-Anteil eher unpraktisch und bieten keinen nennenswerten Vorteil gegenüber den photoperiodischen Geschwistern, die meistens auch noch eine deutlich stabilere Genetik haben. Und da wären wir dann auch wieder bei den “optimalen Bedingungen” die wir ja im Hinterkopf behalten wollten: Da Autoflower-Genetiken noch nicht so “alt” sind und daher einfach nicht so stabil sind, reagieren sie häufig empfindlicher auf Umwelteinflüsse wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit und pH- oder EC-Wert. Grundlegend lässt sich sagen: Sie verzeihen weniger Fehler!

Outdoor: Lohnenswert!

Sobald man sich aber nach draußen begibt, überwiegen aber die Vorteile von Autoflower-Genetiken: Normale Genetiken beginnen erst im Spätsommer mit der Blüte und beenden diese dann im Herbst, wenn das Wetter oft schon nicht mehr so gut ist und Schimmel droht.

Ansicht von oben auf kleine Cannabispflanzen mit kleinen Blüten.
Abb 3 Kaum mehr als ein Stock mit Blüten… Aber die Masse machts! So klappt es auch bei „sukzessivem Ernten“ mit den 50g…

Wenn man die Ruderalis-Pflanzen Indoor vorzieht und zum richtigen Zeitpunkt raussetzt, kann man teilweise schon im Juli die erste Outdoor-Ernte einfahren! Wenn man regelmäßig Pflanzen nachzieht, kann man den ganzen Sommer über eine Ernte nach der nächsten einfahren, bis in den Herbst hinein! Die Pflanzen werden außerdem nicht so riesengroß, lassen sich daher auch etwas leichter in einen normalen Garten oder Balkon integrieren und brauchen eigentlich kaum Aufmerksamkeit… Und auch noch weniger Dünger! Woran das genau liegt kann irgendwie keiner so genau erklären, Fakt ist aber: Ruderalis-Kreuzungen kommen meistens mit weniger Dünger aus als ihre photoperiodischen Gegenstücke.

Fazit: Outdoor gerne, Indoor eher nicht!

Eigentlich sagt die Überschrift schon alles! Wenn man Ruderalis-Kreuzungen im Garten oder in irgendeiner Form “unter der Sonne” anbaut, bieten sie viele Vorteile und sind dann auch eindeutig schneller fertig als “normale” Sorten. Indoor bieten sie aber eigentlich nur Nachteile: Sie sind empfindlicher, instabiler, liefern weniger Ertrag und sind meistens auch nicht so potent. Zudem brauchen sie meistens auch noch mehr Strom, da man die Lampe am besten dauerhaft 18-20h lang an hat, im Gegensatz zu 12h bei normalen Genetiken. Der Stromverbrauch steigt also um ca. 30% an. Ob sich das lohnt, muss dann jeder selbst entscheiden!