Studie: Cannabiskonsum hinterlässt Spuren auf der DNA

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Cannabis kann die DNA beeinflussen – zu diesem Ergebnis kommen Forscher des King´s College London. Neu ist diese Erkenntnis jedoch nicht. Hinzu kommt: Auch andere Drogen können epigenetische Veränderungen hervorrufen.

Professorin Marta Di Forti, Hauptautorin der Studie, spricht in einem Artikel davon, dass der häufige Konsum von hochwirksamem Cannabis deutliche molekulare Spuren auf der DNA hinterlässt. Die Ergebnisse ihrer Studie würden wichtige Erkenntnisse darüber liefern, wie der Cannabiskonsum biologische Prozesse verändern kann. Dabei sei die DNA-Methylierung, die die Lücke zwischen Genetik und Umweltfaktoren schließt, ein Schlüsselmechanismus. Diese epigenetischen Veränderungen seien durch den Lebensstil und Exposition geprägt und würden eine wertvolle Perspektive bieten, wie der Cannabiskonsum die psychische Gesundheit über biologische Wege beeinflussen kann.1

Soweit so gut. Aber was sind eigentlich epigenetische Veränderungen?


Hierbei handelt es sich um chemische Modifikationen an der DNA oder an den Proteinen, die die DNA verpacken, welche die Genaktivität verändern, ohne die eigentliche DNA-Sequenz zu verändern. Diese Veränderungen können Gene entweder aktivieren oder stumm schalten und somit die Genexpression steuern, was weitreichende Auswirkungen auf Zellfunktion, Entwicklung und Gesundheit haben kann. Dabei sind epigenetische Mechanismen flexibel und können durch Umweltfaktoren wie Ernährung, Stress, chemische Einflüsse und sogar durch den Lebensstil beeinflusst werden. Sie spielen eine wichtige Rolle in der Entwicklung von Krankheiten, einschließlich Krebs und natürlich psychischen Störungen.

Viele Substanzen verändern die DNA und beeinflussen die psychische Gesundheit

Es mag auf den ersten Blick erschrecken, dass Cannabis Einfluss auf die DNA haben kann. Wirklich neu ist diese Erkenntnis jedoch nicht. Denn es ist schon länger bekannt, dass Cannabis die Methylierung von Genen beeinflussen kann, die mit der Gehirnentwicklung und -funktion zusammenhängen. 2

Was viele vielleicht nicht wissen: Cannabis ist nicht die einzige Substanz (Droge), die eine doppelte Wirkung auf die DNA und die psychische Gesundheit haben sowie epigenetische Veränderungen hervorrufen. Hierzu gehört beispielsweise auch Kokain, das die Expression von Genen beeinflussen kann, die mit der Dopaminregulation und der Neuroplastizität in Zusammenhang stehen. Aufgrund der epigenetischen Veränderungen kann das Verlangen nach der Droge verstärkt und langfristig das Belohnungssystem des Gehirns verändert werden, was zu emotionaler Instabilität führen kann. 3

Darüber hinaus können Methamphetamine oxidative Schäden verursachen, die zu DNA-Brüchen führen. Zudem können sie epigenetische Mechanismen verändern wie die DNA-Methylierung, was langfristige Effekte auf die Genexpression hat, insbesondere in Gehirnzellen, die mit der Regulierung von Stimmung und Verhalten zu tun haben. So ist der langfristige Methamphetaminkonsum mit schweren psychischen Erkrankungen, einschließlich Schizophrenie-ähnlichen Psychosen, starker Angst und Paranoia, verbunden. Denn die DNA- und epigenetischen Schäden können die Funktion von Neurotransmittern wie Dopamin und Serotonin beeinträchtigen, was emotionale und kognitive Störungen verursachen kann. 4

Selbst „harmlosere“ Substanzen wie Nikotin können epigenetische Veränderungen hervorrufen. Denn der langfristige Tabakkonsum ist mit der Methylierung des Dopamintransportergenes (DAT1) verbunden, was zu Veränderungen der Dopaminregulation führt. Dabei ist die Nikotinabhängigkeit stark mit Angststörungen, Depressionen und Schizophrenie verbunden. Nikotin verändert den Dopaminspiegel im Gehirn, was das Belohnungssystem stört und emotionale Dysregulation verursachen kann. 5

Dementsprechend sind die Ergebnisse der Studie zunächst einmal keine „bahnbrechenden“ Neuigkeiten und es stellt sich die Frage, wie aussagekräftig diese überhaupt ist.

Auf dem Bild ist das King´s College in London zu sehen.
King´s College in London

Wie aussagekräftig ist die Studie vom King´s College London?

Grob zusammengefasst nahmen an der Studie 682 Probanden zwischen 16 und 72 Jahren aus England, Europa und Brasilien teil. Darunter gab es 188 Cannabiskonsumten, die mehr als einmal wöchentlich hochpotentes Cannabis (mehr als 10 % THC) anwendeten. Insgesamt hatten 239 Probanden bereits eine erste psychotische Episode erlitten und 443 Kontrollprobanden waren gesund. Den Probanden wurden Blutproben entnommen, die mithilfe komplexer DNA-Analysen untersucht wurden. Das Cannabisverhalten wurde anhand eines wissenschaftlich anerkannten Fragebogens erfragt.

Wirklich aussagekräftig ist diese Studie nicht. Denn schließlich nahmen lediglich 188 Cannabiskonsumenten teil. Problematisch ist zudem, dass Daten zum Konsum mittels Fragebogen erfasst wurden. Insofern handelt es sich um subjektive Einschätzungen der Teilnehmer, die die Ergebnisse verfälschen könnten.

Professorin Marta Di Forti betont, dass weitere Studien notwendig seien, um zu erforschen, ob die DNA-Signatur für den aktuellen Cannabiskonsum und insbesondere für hochwirksame Sorten dazu beitragen kann, diejenigen Benutzer zu identifizieren, die sowohl bei Freizeit- als auch bei medizinischem Gebrauch am stärksten von der Entwicklung einer Psychose bedroht sind.

Weiter heißt es, dass DNA-Bluttests möglicherweise dabei helfen könnten, Cannabiskonsumenten mit einem Risiko für die Entwicklung einer Psychose zu charakterisieren und so über präventive Maßnahmen zu informieren. Wird es dann wohl auch Bluttests zur Prävention bei weiteren Drogen geben? Schließlich sind Kokain, Amphetamine und Ecstasy ebenfalls dafür bekannt, akute und langfristige Psychosen auslösen zu können – und laut dem aktuellen UN-Report steigt der Konsum dieser Drogen stark an.

Quellen

[1] Di Forti M. et. al, Methylomic signature of current cannabis use in two first-episode psychosis cohorts. Mol Psychiatry. 2024 Oct 16. doi: 10.1038/s41380-024-02689-0. Epub ahead of print. PMID: 39406996, Download vom 20.10.2024 von https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/39406996/

[2] Wiedmann M, Kuitunen-Paul S, Basedow LA et. al, DNA methylation changes associated with cannabis use and verbal learning performance in adolescents: an exploratory whole genome methylation study. Transl Psychiatry. 2022 Aug 6;12(1):317. doi: 10.1038/s41398-022-02025-6. PMID: 35933470; PMCID: PMC9357061, Download vom 20.10.2024 von https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/35933470/

[3] Cadet JL, Jayanthi S. Epigenetic Landscape of Methamphetamine Use Disorder. Curr Neuropharmacol. 2021;19(12):2060-2066. doi: 10.2174/1570159X19666210524111915. PMID: 34030618; PMCID: PMC9185771, Download vom 20.10.2024 von https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34030618/

[4] Anier K, Urb M, Kipper K, Herodes K et. al, Cocaine-induced epigenetic DNA modification in mouse addiction-specific and non-specific tissues. Neuropharmacology. 2018 Sep 1;139:13-25. doi: 10.1016/j.neuropharm.2018.06.036. Epub 2018 Jun 28. PMID: 29964092, Download vom 20.10.2024 von https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/29964092/

[5] Chmielowiec J, Chmielowiec K, Strońska-Pluta A et. al, Methylation in the Promoter Region of the Dopamine Transporter DAT1 Gene in People Addicted to Nicotine. Int J Environ Res Public Health. 2022 Jul 14;19(14):8602. doi: 10.3390/ijerph19148602. PMID: 35886451; PMCID: PMC9321476, Download vom 20.10.2024 von https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/35886451/

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Autorin

Alexandra Latour

Alexandra Latour hat mehr als zehn Jahre Erfahrung als Redakteurin und freiberufliche Autorin in der Health-Care-Branche. Anfang 2017 übernahm sie die Stelle als stellvertretende Chefredakteurin bei Leafly Deutschland und eignete sich in den darauffolgenden Jahren eine umfangreiche Fachexpertise in den Themen medizinisches Cannabis und frei käufliche CBD-Produkte an. Inzwischen ist Alexandra in der Cannabis-Branche fest verwurzelt und setzt sich neben ihrer Haupttätigkeit als Medizinredakteurin für die Aufklärung ein.

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